„Der Sport schafft’s, der Sport macht’s“ lautete in diesem Jahr das Motto zum Bayerischen Integrationspreis. Ausgezeichnet wurden beim Festakt im Senatssaal drei sehr einfallsreiche und engagierte Projekte, in denen sich alles um Bewegung und Gemeinschaftsgeist dreht. Der Sieger, der Campus Asyl e.V. aus Regensburg, überzeugte dabei mit einer äußerst vielseitigen Interpretation des Begriffs „Integration“. Als Podiumsgäste waren auch Kabarettist Django Asül und der ehemalige Kapitän der Nationalelf Philipp Lahm dabei.
„Ihr bringt Menschen zusammen, ihr baut Brücken, ihr seid Vorbilder. Genau das hat unsere Gesellschaft bitter nötig.“ So lobte Fußballer Philipp Lahm die Initiatoren und Mitarbeiter des Campus Asyl e.V., den ersten Gewinner des Bayerischen Integrationspreises. Die Regensburger Hochschulinitiative besteht aus rund 300 aktiven Sportlern und Sportstudenten, die eine Vielzahl von Sportprojekten für Flüchtlinge anbietet. Fußball, Fahrradgruppen, Tanzen und Schwimmen für Mädchen sind nur eine kleine Auswahl von dem, was der Campus Asyl für Neubürger in petto hat. Wichtig vor allem: Die Helfer gehen zweimal wöchentlich mit Sportgeräten ins Regensburger Anker-Zentrum und geben den dort untergebrachten Menschen in der – oft viel zu lange währenden und quälend untätigen – Situation der Erstaufnahme die Gelegenheit, etwas zu tun: sich körperlich zu verausgaben, Menschen kennenzulernen (denn es kommen auch Regensburger zum Sporteln mit), eine Gemeinschaft zu bilden. „Gemeinsames Miteinander funktioniert besser als Ausgrenzung und Abschottung“, sagte Denis Forster vom Vorstand des Campus Asyl e.V. in seiner Dankesrede, „deshalb auch mein Respekt vor den anderen Preisträgern.“
„Dieser Preis ist für uns genauso wichtig wie der Weltmeistertitel“
Zu diesen gehört auf dem zweiten Platz das Breakdance-Multiplikatoren-Projekt „Auch du kannst es bringen, Bro“. Der Würzburger Breakdancer Thomas Bagdas versammelt seit Jahrzehnten Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund um sich, um ihnen Tanzmoves beizubringen und ein Zuhause in einer Tanz-Crew zu geben. Workshops und Auftritte, auch außerhalb von Bayern, sind typische Aktionen. „In diesem Projekt haben schon viele Jugendliche seit den 90er Jahren Anerkennung gefunden“, sagte Laudator Faris Al-Sultan, Bundestrainer der Deutschen Triathlon Union und Gewinner des Iron Man, „und wer Anerkennung findet, der akzeptiert Regeln leichter.“ Die Crew Dreamscapes, die zum Projekt gehört, wurde 2018 sogar Breakdance-Weltmeister der International Dance Organisation. „Dieser Preis ist für uns genauso wichtig wie der Weltmeistertitel“, sagte Bagdas, dessen strenger schwarzer Bart seiner lockeren, aufgeschlossenen Art diametral entgegensteht. „Denn nicht die Hautfarbe und die Herkunft zählt, sondern die Leidenschaft. Wir sind alle Menschen und müssen zusammenhalten.“
Ums unbedingte Zusammenhalten geht es auch bei den Drittplatzierten, dem STAR – Starkes Team außergewöhnlicher Ruderer. In dem Projekt der Rudergemeinschaft Olympos Würzburg (Row) e.V. rudern Kinder und Jugendliche mit Fluchthintergrund gemeinsam mit Einheimischen. Unter den Teammitgliedern sind auch solche Flüchtlinge, die traumatische Erlebnisse in Booten hinter sich haben – und diese Traumata durch den Sport erfolgreich überwinden, wie ein geflüchtetes Mädchen im Einspielfilm berichtete. Andererseits wird auch die Leistung nicht vernachlässigt: „Zwei der Mädchen, die bei Row rudern, haben sich für Wettkämpfe auf Bundesebene qualifiziert“, freute sich Laudator Vural Ünlü, der Vorstandsvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Bayern. Tränen flossen, als die erste Vorsitzende Cornelia Drewitzki in ihrer Danksagung erklärte: „Ohne den Akademischen Ruderverein, der uns seit Jahren ein Domizil gibt, gäbe es den Row e.V. gar nicht. Vielleicht spielt Integration bei uns eine so große Rolle, weil wir selber ein Verein sind, der keine Heimat hat.“
Insgesamt ist der Integrationspreis mit 6000 Euro dotiert. Überreicht wurde er von Landtagspräsidentin Ilse Aigner, Innenminister Joachim Herrmann, der für Sport ebenso wie für Integration zuständig ist und mir.
Wir erörterten gemeinsam mit Philipp Lahm und Faris Al-Sultan vor der Preisverleihung, warum ausgerechnet Sport als Integrationsinstrument so eine schlagende Wirkung hat. Es moderierte die junge BR-Journalistin Nabila Abdel Aziz, die es verstand, gezielt nachzufragen, und so konkludierte die Runde flott: Sport ist von Natur aus grenzübergreifend, international und leidet vor allem nicht unter Sprachbarrieren. Er fördert Disziplin und Fairness. Er bringt Menschen zusammen, die sich sonst nie treffen würden. “Und in der Mannschaft zähle ganz klar nur die sportliche Leistung und der Teamzusammenhalt”, sagte Joachim Herrmann, „da gibt es kein rätseln und deuteln.“ Das ehrenamtliche Engagement im Sport müsse man daher sichtbar machen und auszeichnen, folgerte Ilse Aigner. „Unsere drei Gewinner stehen für Tausende Ehrenamtliche in Bayern, denen ich sage: ein ganz herzliches Danke!“
„Integration geht nicht von heute auf morgen“
Das erste – längere – Wort hatte an diesem Abend allerdings Kabarettist Django Asül. Sein Streifzug durch berühmte zweifelhafte Integrationsgeschichten, vom Özilskandal über seine eigene Geburt bis hin zu Monika Hohlmeiers Europa-Kandidatur in Oberfranken sorgte für ausgelassene Stimmung. Das Fazit des Niederbayern türkischer Abstammung: „Integration heißt nicht sich einfügen. Es heißt Klarkommen. Das geht nicht alleine. Es braucht Raum. Und es geht nicht von heute auf morgen.“
Projektverantwortliche: Angelika Frey
Das Projekt CAMPUSAsyl Sport ist eine Plattform der Regensburger Hochschulen und der Regensburger Zivilgesellschaft, bei der über 300 Aktive Sport-Angebote auf die Beine stellen, die gelebte Integration für Geflüchtete und Asylbewerber ermöglichen. Darüber hinaus werden Geflüchtete, die ein Studium beziehungsweise studienvorbereitenden Sprachkurs an der Uni/OTH Regensburg besuchen, in einem Mentoring-Programm von erfahrenen Studierenden unterstützt. Die eigens geschulten MentorInnen geben Hilfestellungen in allen Fragen rund um das Studium und das studentische Leben in Regensburg.
2. Preis: „Auch du kannst es bringen, Bro“ – Breakdance-Multiplikatoren-Projekt Würzburg
Projektverantwortlicher: Thomas Bagdas
Das „Breakdance-Multiplikatoren-Projekt“ hat sich zum Ziel gesetzt, jungen Menschen mit oder ohne Migrationshintergrund gemeinsam über den Sport zu Erfolg, allgemeiner Anerkennung und Steigerung des Selbstwertgefühls zu verhelfen. Das Projekt will dem Publikum zeigen, dass bei dieser Sportart auf einfache Weise die Grenzen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts oder des Alters überwunden werden können. Typische Aktionen sind Auftritte in Schulen, bei Festen im Stadtzentrum oder bei öffentlichen Veranstaltungen auch außerhalb Bayerns. Interessierten Kindern und Jugendlichen wird die Möglichkeit geboten, an „Breakdance-Work-Shops“ oder Tanz-AG’s teilzunehmen.
3. Preis: STAR – Starkes Team Außergewöhnlicher Ruderer, Würzburg
Projektträger: Rudergemeinschaft Olympos Würzburg e.V.
Projektverantwortliche: Cornelia Drewitzki
Rudern für und mit jugendlichen Flüchtlingen, das bietet die Rudergemeinschaft Olympos Würzburg e.V. seit 2015 an. Nach oftmals traumatischer Flucht über das Mittelmeer soll es auf diese Weise Kindern und Jugendlichen im Mannschaftsboot ermöglicht werden, das Element Wasser auch wieder mit positiven Erlebnissen zu verknüpfen. Neben dem Rudern bietet die ROW aber auch Schwimmen und Hallensportarten an. Insgesamt haben bislang über 200 Jugendliche mit Fluchterfahrung an den ROW-Sportprogrammen teilgenommen und auf diese Weise das Rudern und natürlich auch das Schwimmen gelernt. Da wortwörtlich alle in einem Boot sitzen, werden gleichzeitig Werte wie Fairness, Teamgeist und Verantwortungsbewusstsein vermittelt. Neben dem Rudern bietet der Verein einen von Trainerinnen geleiteten wöchentlichen Schwimmkurs für Frauen und Mädchen an. Darüber hinaus unterstützt er die jungen Menschen auch bei der Praktikums- und Jobsuche oder bei Behördengängen.